Oliver Schepp-Danne

Text: Oliver Schepp-Danne
Fotos: Oliver Schepp-Danne

07. – 09.09.2018

20 Jahre Goodwood Revival & 70 Jahre Goodwood Motor Circuit.

Ganz nüchterne Daten zu einer absolut weltweit einmaligen, hochspektakulären, traumhaften, historischen Motorsport-Veranstaltung die sich für immer im Klein- und Großhirn verewigt.

Hier wird auch der Allgemeinbegriff „historischer Motorsport“ ernsthaft umgesetzt.

Zeitreise mit Style

Der Eintritt in eine frühere Welt. Nicht virtuell sondern alles echt und in Farbe zum Fühlen und Anfassen.

Dazu zählen nicht nur die unglaubliche Anzahl historischer Rennwagen, nein das Goodwood Revival inszeniert sich selbst. Und alle (naja fast alle, bis auf ein paar Stil-Muffel, die in rein funktionsorientierter moderner Kleidung ihre Eintrittskarte eingelöst haben) machen mit.

So viele bildhübsche, stilvoll gekleidete Damen und sensationell gekleidete Gentlemen sind eine Augenweide. Da läuft einem plötzlich der PanAm Pilot, der Fotoreporter, die Grande Dame, die uniformierte Krankenschwester der 40’s, 50’s oder 60’s über den Weg und man fragt sich plötzlich, warum man sich im 21. Jahrhundert nicht mehr so gepflegt und stilvoll kleidet.

Alle haben riesengroßen Spaß daran mit zu machen und sind bestens gelaunt. Keiner meckert, keiner drängelt irgendwo. Die Menschen sind hier einfach nett und freundlich zueinander.

Man muß dabei jedoch erwähnen, das der britische Wettergott und wahrscheinlich die Queen persönlich dafür gesorgt haben, das es keinen einzigen Regentropfen am ganzen Wochenende gab. Immer trocken, etwas windig und Freitag und Sonntag blauer Himmel mit Sonnenbrand-Gefahr. Im Vergleich zu letztem Jahr war das Wetter, neben allen Attraktionen, das i-Tüpfelchen.

Die Geburtstags- und Ehrengäste

Das 20. Goodwood Revival hat sich diesmal unter anderem selbst gefeiert.

Alle Sieger-Fahrzeuge aus den vergangene 20 Jahren wurde geehrt in einer Parade. Vom Austin A30 über einen Mini Cooper S, Jaguar MK1, Lola T70 Spyder bis zum Cobra Daytona Coupe, um nur einige wenige zu nennen.

Des Weiteren wurde der Rennstall vom Gentleman-Racer Rob Walker und alle möglichen Varianten britischer Personen-Beföderungsfahrzeuge gefeiert. Es stand sogar eine echte Dampflok mit Tender auf einem Stück Gleis. Heizer und Schaffner inklusive. Eben echt British!

Die Rennwagen des Rob Walker Rennstalls waren stets an der dunkelblauen Farbe mit einem weißen Querstreifen über der Motorhaube/Fahrzeugfront erkennbar. Dazu zählten einige Cooper Grand Prix Racer, die bildschönen zwei Ferrari 250 GT SWB – von Stirling Moss zum Sieg gefahren – und die Ford GT40 von LeMans 1965.

Auch Jubilar war die RAF. Die Royal Air Force hat Ihren 100sten Geburtstag mit einer tollen Auswahl von Flugzeugen im Infield der Rennstrecke gefeiert. Alles hautnah zu sehen mit Ehrfurcht, Stolz und bei den älteren Besuchern mit Erinnerungen. Auch das ist very British.

Zu diesen gefeierten Paraden waren wie immer die 10 Rennen der Gipfel der Genüsse. Die Karat-Anzahl der Rennwagen ist hier so hoch wie die der Diamanten im Edelstein-Zentrum Amsterdam.

Let’s go racing

Nicht steigerbar, und dies ist wörtlich gemeint! Die meisten dieser Hochkaräter werden trotzdem im Vollgas-Renntempo von Rennprofis oder ihren Eignern bewegt. Ganz nach dem Motto „einmal Renngerät, immer Renngerät.“

Jeder hat seine Highlights bei der Auswahl der zehn Rennen. Meine waren in 2018 die „Kinrahra-Trophy“ und die „St. Mary’s Trophy“.

Grace, Pace and Value

Ersteres wurde Freitag Abend zum Sonnenuntergang gefahren. Eine ganze Stunde lang mit Fahrerwechsel. Hier fahren frühe JAGUAR E-TYPEs, die ersten COBRAs gegen FERRARI 250 GT SWB und ASTON MARTIN DB4 GT. Sehr seriennah ohne die großen Modifikationen mit breiteren Felgen und Reifen wie die GTs der „Royal Automobil Trophy“ am Sonntag.

Sehr ästhetische und edle Sportwagen der frühen 60`s mit einem Gesamtwert im Starterfeld von 200 Millionen! Ja richtig gelesen, kein Schreibfehler.

Trotzdem heißt es hier. Sieger ist immer noch der Schnellste und Wagemutigste!

Ein fast rundenmäßiger Schlagabtausch an der Spitze lieferten sich ein FERRARI 250 GT BREADVAN (one off) mit einem superschnellen E-TYPE Roadster. Immer schön am Limit und der Haftgrenze von Fahrwerk und Reifen. Mit im Starterfeld waren zwei sehr schöne frühe AC Cobra Roadster 260 ci (Cubicinch = 4200 ccm) mit Hardtop und ein erstaunlich schneller Austin Healey 3000 MK1 der in seiner frühen Geschichte als Werks-Rallye Auto von BMC eingesetzt wurde. Hier immer mit Vollgas und eingeschalteter Scheinwerfer-Batterie auf dem Asphalt der schnellen Goodwood Rennstrecke.

Familienkutschen am Limit

Am Samstag und Sonntag wurden die 2 Rennen der St.Mary`s Trophy ausgetragen. Hier teilen sich ein prominenter Gast-Rennfahrer und der Besitzer einen Renntourenwagen von Baujahr 1961-1965. Alle Besucher, wie auch die prominenten Rennfahrer sind von diesen zwei Rennen völlig begeistert. Zu der Liste der Piloten zählen u. a. Namen wie Darren Turner, Jackie Oliver, Emanuele Pirro, Andrew Jordan, Jochen Mass oder Steve Soper. Wem das nichts sagt, einfach mal die Namen „googeln“ und man versteht den Stellenwert. Wochenendunterhaltung vom Besten.

Hier balgen sich u.a. FORD GALAXIE 500, ALFA ROMEO GTA, LOTUS CORTINA, BMW 1800 TISA und freche MINI COOPER um den Rennkurs.

Sauspannend sind die Fights zwischen den CORTINAs untereinander und zwischen den MINIs mit den Großen. So zeigt MINI Guru Nick Swift mit seinem Swiftune Worksracer „Willow 2“ absolut null Respekt vor einem superstarken und gefühlt 3 x so großen Ford Galaxie 500 (die PS-Anzahl).

Er überholt den Galaxie in der schnellen Doppelrechts „Woodcote Corner“ einfach mit vollem Gasfuß aussen! Steht dabei quer, bremst den Mini im vollem Galopp ein und steht wieder voll auf dem Gas um die Fuhre gerade zu ziehen.

Unser Freund Andy „Ace“ Harrison im MINI COOPER S fuhr schnell im Mittelfeld und war heilfroh, seinen bildschönen top aufgebauten Racer heile nach Hause zu bringen.

Fast alle fahren hier mit vollem Einsatz und manchmal auch über das Limit und die Haftgrenze hinaus.

Über die (Haftungs-)Grenzen hinaus

Das finden alle super, war meiner Meinung nach dieses Jahr aber „a Bit to much“.

Am Samstag hat Jackie Oliver (u.a. LeMans Sieger 1967 auf Gulf FORD GT40) im LOTUS CORTINA einen MINI COOPER S auf der Vollgas Geraden Lavant Straight von hinten angeschupst und den MINI damit quer über die Strecke gedreht. Der schlägt dann frontal mit Highspeed in die Streckenbegrenzung ein.

Resultat: MINI Totalschaden, Fahrer dankt Überollkäfig unverletzt.

Am Sonntag wurde beim Streckenabschnitt „St.Mary`s“ ein LOTUS CORTINA ebenfalls touchiert und hat sich mehrmals heftig überschlagen. Auch hier war das Renngerät völlig Schrott und der Fahrer unverletzt. Dank modernen Überrollkäfigen, modernen Rennschalensitzen und Rennsicherheitsgurte geht alles für Mensch glimpflich aus.

Schnell und wagemutig am Limit immer gerne ja, aber bitte nicht bis zur Zerstörung fighten.

Tut aber der ganzen Superlaune und Stimmung keinen Abbruch.

Hier macht einfach alles einen Riesenspaß.

Let’s keep in touch

Unser befreundetes Rennteam ACESPEED von Andy Harrison war stilsicher gekleidet und komplett vertreten mit Mechaniker und weiblichem Support. So war eine Lady namens Tina Cooper, die privat auch noch mit einem MINI COOPER Rennen fährt, mit im Team. No Stories! Andy hat uns wieder mit dem ein oder anderen netten Menschen aus der historischen Rennszene gewohnt charmant und allürenfrei bekannt gemacht. So auch kurz mit  Charlie Cooper, dem Sohn Mike Coopers. Er fuhr den Renn MINI COOPER des BMW Classic Teams.

Rennlegende Rauno Aaltonen haben wir auch gesprochen. Immer eine gute Geschichte auf Lager und immer sehr höflich und für ein gutes Fotos am Rennwagen bereit. Er sollte einen Austin Healey 100/4, der in seiner Geschichte in Neusseland erfolgreich Rennen bestritten hat, fahren. Leider fiel der HEALEY aus und Rauno war bis auf den Trainingslauf Zaungast.

Let’s calm down

Nachdem tagsüber bei uns unkalkulierbar viel Adrinalin und Glückshormone produziert worden sind, haben wir Abends „Over the Road“ bei tollem Essen und einem kühlen Bier in unbeschreiblicher Atmosphäre den Tag entspannt ausklingen lassen. Bei cooler Live Musik der 50s & 60s.

Zum Schluss ist eigentlich nur ein Zitat des großen Rennfahrers Roy Salvadori wieder zu geben:

„Give me Goodwood on a Summers Day and you can forget the Rest of the world“

Recht hat er.

In diesem Sinne: Gesegnet sei die Beschleunigung und die heilige Rennstrecke.

Euer Goodwood Maniac
Oliver