Goodwood Revival 2017 – Mud, Action & Style vom 08. – 10. September 2017

Freitag, 08.09.2017

Marketplace - Goodwood Revival

Normalerweise beginne ich das Goodwood Revival mit den ersten Fotohighlights während dem ausgedehnten Gang über den pre 66 Parkplatz. Der ist den Besuchern des Revivals vorbehalten, die mit einem Fahrzeug Baujahr pre’66 anreisen.

Das habe ich mir dieses Jahr gespart. Nicht etwa, weil dort keine Fahrzeuge standen, nein, die großen Wiesen auf denen wir normale Besucher und die pre 66 Besucher parken waren in 2017 leider Opfer des permanenten Regen. Total aufgeweicht und voller Matsch. Dementsprechend sahen alle Fahrzeuge auch aus. Also leider keine Fotos und weiter gehts zwischen den ersten Verkaufsständen hindurch, „over the road“ direkt zur Rennstrecke.

Auch jetzt hinter der großen Brücke über die Strasse durchquert man weitere Verkaufsstände. Nicht nur des Racers Herz wird auf den Revival hochgradig befriedigt, nein, auch das Bargeld und die Kreditkarten können hier, insofern man sich nicht ein Kaufembargo aufzwingt, nach Herzenslust rotieren. Ob klassische Kleidung, schwarz-weiss Motorsport-Fotografien aus den 50s and 60s, alle Arten von Automobilia bis zum komplett restaurierten Klassiker … alles ist hier käuflich zu erwerben.

Paddocks – Die Boxen

Nach den ersten Kaufanimationen geht es weiter direkt ins Paddock. Und hier ist alles aufgereiht was ansonsten in Büchern und auf Fotos abgelichtet wurde oder in Museen steht. Nur hier ist alles zum anfassen! Natürlich nur mit den Augen und dem Fotoobjektiv, das aber hautnah. Da ich schon das 5. Mal dort bin habe ich schon viele hochseltene und renngeschichtlich hochkarätige Rennwagen gesehen, aber der Großgrundbesitzer von Goodwood, der Earl, seit dem Wochenende Duke of March (sein Vater ist leider ganz kurz vorher verstorben, und so geht der Adelstitel weiter an den nächsten Sohn) schafft es immer und immer wieder, die besten, seltensten, schönsten und wertvollsten Rennwagen zwischen 1948 und 1966 hier antreten zu lassen. So stand ich plötzlich im Paddock vor dem kürzlich restaurierten Lola GT. Quasi der Vorläufer des Ford GT 40. Entworfen von Eric Brodley.

Lola GT
GT Fahrerlager - Goodwood Revival 2017

So wie er vor mir stand wurde er auf der Londoner Motorshow 1963 der Weltöffentlichkeit gezeigt. Ein paar Jahre später dann gekauft von einem Rennfahrer Namens Allen Grant. Dieser hat in den 60zigern auch Cobra und GT40 für Shelby gefahren. Anschließend den Lola 50 Jahre abgestellt und letztes Jahr restauriert. So etwas sieht man nur auf dem Revival neben den anderen hochkarätigen Rennwagen wie GT40 (10 waren da!), Lola T70, AC Cobras, Original Jaguar Lightweight E-Types, der von Jim Clark zum Sieg gefahrene Lotus 25, Aston Martin DB4 GT (5 Stück), Ferrari 250 GTO, 250 LeMans etc. Schön zu hören sind die unterschiedlichen Sounds der verschiedenen Rennmotoren. Die kleinen, schreienden 4-Zylinder der Tourenwagen, der fauchende und brüllende Reihen-Sechs-Zylinder von Aston Martin und Jaguar E-Type, die böllernden und hämmernden V8-Zylinder von Cobra, GT40, Lotus 30 und Lola T70 und die kreischenden 12-Zylinder von den Ferrari. Diese 12 Zylinder drehen so schnell hoch wie ein Motorradmotor. Das kommt sicherlich durch den relativ kleinen Hubraum pro Zylinder. Die Typbezeichnung 250 bedeutet die Kubikzahl des Zylinders. Das jetzt mal Ihre Anzahl, also, 12 x 250 ccm ergibt 3 Liter Gesamthubraum.

Die Piloten

An Reizüberflutung wird hier überhaupt gar nicht gespart. Zwischendurch laufen die Piloten durchs Kamerabild. Nicht irgendwelche, nein, da habe ich Jackie Stewart, Richard Attwood, Derek Bell, Dario Franchitti, Jackie Oliver und Rauno Aaltonen gesehen. Die beiden letztgenannten haben mir Fotos signiert und mit mir einen kurzen Plausch gehalten. Gänzlich ohne Allüren, wenn die Zeit es erlaubt. Dabei erklärt unser Mini Freund Rauno immer sehr anschaulich charmant mit Händen und Füßen wie man hier in Goodwood die Kurven fährt. Goodwood ist bis heute mit der schnellste Rennkurs in UK! Mit vielen sehr schnellen Vollgaskurven aber auch mit vielen Tücken durch die schlecht einsehbaren Kurvenradien. Beide Piloten kamen vom Training der St. Mary’s Trophy, dem diesjährigen Tourenwagenrennen von Baujahr 1955 bis 1960, im strömenden Regen. Rauno fährt einen castrol-giftgrünen Morris Minor namens „Fat Ladies“ und Jackie Oliver einen abartig schnellen BMW 700, den er sich mit seinem Race-Friend und Fahrzeugeigner Richard Shaw teilt.

Richard Attwood - Goodwood Revival 2017

Das Wetter

Der Regen hatte den Freitag voll im Griff. So richtig aufgehört hat es eigentlich nie. Völlig verblüffend und hochangenehm dabei ist die unbeschwert supergute Laune der Besucher und Teilnehmer. Kein Gemecker und Gejammer über Regen, Matsch und Co. Bei uns in Germany wäre dies ganz sicher anders. Aber hier in Goodwood macht jeder das Beste aus allem und freut sich über den Moment egal wie nass oder verschlammt die Schuhe und Kleidung ist. Ja, ja, Schuhe und Kleidung. Hier wird Stil und Eleganz so ernst genommen wie zu einem Galaball. Eben nur im Zeichen der richtigen Epoche. Die Rennstrecke Goodwood war zwischen 1948 und 1966 offizieller Austragungsort von allen wichtigen Rennserien. Und genau so sehen die Besucher und Teilnehmer aus, wie gerade eben aus den 40er – 60er Jahren hier her gekommen.

Die Kinrara Trophy (60 Min)

Nach dem ersten Rennen des Wochenendes und dem einzigen am Freitag, der Kinrara Trophy mit frühen Jaguar E-Types, Ferrari 250 GT SWB, einer 1961 Corvette, AC Cobra geht es sehr erfüllt zurück ins B&B Cottage wo ich mit meiner Frau und Tochter das Wochenende bei ganz netten Menschen verbringe, die mittlerweile zu Freunden geworden sind nach dem 5. Goodwood Revival Aufenthalt bei Ihnen.

Bilder Kinrara Trophy

Kinrara Trophy - Goodwood Revival

Samstag, 09.09.2017

Unser Team vor Ort

Für uns vor Ort: Team Schepp-Danne

Samstag Morgen fahre ich mit Frau und Tochter bei allerbestem Wetter (ganz ohne jegliche britische Ironie) und „dressed in correct style“ auf zur Rennstrecke. Die Parkplätze sind immer noch voller Schlamm, wohl dem der einen britischen 4×4 dabei hat, so wie wir. Am Samstag sehen wir die St Mary’s Trophy Part I, das erste Rennen mit den Gastfahrern und Stars. Ein sauschneller Jaguar MK1, gefahren von Frank Stippler, liefert sich ein unglaubliches Duell mit dem deutlich kleineren und schwächeren aber nicht minder sauschnellen Austin A40 von Mike Jordan bis der A40 leider ausfällt.

St Mary’s Trophy Part I (25 Min)

Zwei weitere Austin A40 liefern sich von der ersten bis zur letzten Runde einen dauernden Positionswechsel im Zentimeter-Abstand. Immer „pedal to the metal“. Der 7-fache LeMans Sieger Tom Kristenssen kämpft mit einem riesengroßen amerikanische Sportwagen, namens Ford Thunderbird. Tom hat einen Riesenspaß an altem Renngerät und ist mittlerweile berühmt berüchtigt dafür das er mit jedem Rennwagen sauschnell unterwegs ist. Zwischendurch gehen wir durch das Fahrerlager, schauen den Rennwagen in die Ansaugtrichter, auf den Drehzahlmesser und den Fahrern ins Visier. So nah kommt man an alles ran. So lange man den Mechanikern nicht im Weg steht ist das alles null Problem. Alle sind stets höflich und zuvorkommend. Hier geht es nicht um Preisgelder sondern um den persönlichen Ehrgeiz, die Rennehre und den großen Spaß.

Saint Mary's Trophy - Goodwood Revival 2017

Flugzeuge – Auch die fliegenden Oldtimer wissen zu begeistern

Goodwood Revival - Flugzeuge

Ein weiterer großer und atemberaubender Teil des Revival sind die Flugzeuge. Es gibt sogar einen Aviation Concours Elegance mit Flugzeugen bis Baujahr 1966. Dabei eine blankpolierte DC3 und eine total seltene Lockheed Lightning mit Ihren 2 Motoren und Doppelleitwerk. Und das Beste ist, na ratet mal … davon fliegen auch einige.

Eine Supermarine Spitfire, der wohl schönste Jagdflieger aller Zeiten, eine Mustang P51, eine Curtis Kitty Hawk und die beschriebene Lightning fliegen an 2 Tagen immer 2 Turns mit jeweils 6 Runden über den Racetrack. Und jede Runde immer ein Stückchen tiefer. Das hat natürlich auch eine Geschichte dahinter. Im 2. Weltkrieg war Goodwood, vor der Eröffnung als Rennstrecke in 1948, ein Flugplatz ganz unmittelbar an der Küste des Ärmelkanals.

Die Whitsun Trophy (25 Min)

Goodwood Revival 2017 - Whitsun Trophy

Das letzte Rennen am Samstag ist die Whitsun Trophy mit Sportwagen-Prototypen vom Schlage eines GT40, Lola T70, Lotus 30 und 40, McLaren M1C. Das schnellste Rennen des Wochenendes. Auch bei Regen. An der Spitze liefert sich Chris Ward, Chefmechaniker von dem Classic Car Dealer JD Classics ein packendes Duell mit dem ex. John Surtees Lola T70 Spyder und einem weiteren GT40. Ich stehe an der Schikane vor Start und Ziel und sehe sprachlos zu, wie Chris Ward den GT40 bei Regen um die Kurve driftet. Mit 5.0 ltr. V8 und gut 500 PS Mittelmotor. Geht alles mit dem richtigen Gerät, viel Können und großen Eiern. Nach einem vorzüglichen Organic-Beef-Burger aus hauseigener Herkunft und ein paar sehr schönen eingekauften Sachen geht es schon wieder hochzufrieden ins Cottage um sich auf den nächsten und letzten Tag zu freuen.

Sonntag, 10.09.2017

St Mary’s Trophy Part 2 (25 Min)

Sonntag Morgen, kein Regen, Sonne am Himmel aber immer noch der blöde Matsch auf den Wiesenparkplätzen. Es geht wieder zu dritt auf zur Rennstrecke. Heute gibt es Rennen pur, unter anderem mit dem 2. Teil der St Mary’s Trophy. Jetzt fahren die Eigentümer mit Ihren Rennwagen, nicht minder schnell. Ich stehe nun an der Kurve nach der Vollgas-Geraden Lavant. Vor mir schießt sich nach den ersten Runden ein Austin A35 in vollen Renngalopp ab und hämmert rückwärts in die Reifenbarriere. Ergebnis: Das Renngerät ist hinten völlig platt, der Fahrer steigt dank Sicherheitskäfig unverletzt aus. Im Rennen liefert sich Andrew Jordan einen wilden und unbarmherzigen Fight mit einem Alfa Romeo 1900. Man glaubt nicht wie schnell eine Familienkutsche aus den 50zigern sein kann. Man muß nur nach Goodwood fahren, um den sympathischen, hochprofessionellen und total wahnsinnigen Piloten bei Ihrer Arbeit zuzusehen.

St Mary's Trophy Part 2 - Goodwood Revival 2017

Die Royal Tourist Trophy (60 Min)

Goodwood Revival 2017 - Royal Tourist Trophy

Das große Highlight stand nun bevor. Das Royal Tourist Trophy Race. Hochkarätiger, spektakulärer und wertvoller geht es nicht. Hier balgen sich eine Stunde lang Closed-Cockpit-GTs mit den besten Fahrern und mit einem Boxenstop. AC Cobra, Lightweight E-Types, Sunbeam Lister Tiger (ein Fastback Coupe des Sunbeam Tiger Roadsters gebaut von Brian Lister für LeMans 1964, 3x) Ferrari GTO, Ferrari 250 LeMans und Stingray Corvette fahren hier auf der letzten Rille.

Das vordere Drittel des Starterfeldes legt noch eine Schippe mehr drauf. Immer im Drift um die Kurve, vor lauter Kraft nicht laufen könnend. Man hört den V8 der Cobras mit vollem Leistungseinsatz richtig hämmern. Deswegen nennt man das Aggregat auch Explosionsmotor. Hier kämpft auch Chris Ward und Gordon Shedden im Jaguar E-Type gegen die AC Cobra von Guido van der Garde und David Hart. Der E-Type liegt besser, die Cobra hat mehr Bums. Nach ein paar glimpflichen Karosseriekontakten geht Chris Ward wieder mal als Sieger hervor. Der hat aber auch Angst vor überhaupt garnichts und kann echt zügig Autofahren. Zudem ist er mit verantwortlich für das Präparieren seines E-Type.

Geschichtsträchtiges: Der schottische Rennstahl Ecurie Ecosse oder der Fiat Cinquecento

Zu den sensationellen zehn Rennen werden auch immer Auto- oder Rennereignisse aus der Geschichte gefeiert. Dieses Jahr haben über 100 Fiat Cinquecento italienisches Chaos-Flair im Fahrerlager und auf der Strecke verbreitet. Das andere Jubiläum wurde dem schottischen Rennstahl „Ecurie Ecosse“ gewidmet. Jaguar C-Type, D-Type, Tojero Buick und dem schönen Comer Renntransporter waren im dem markanten bildschönen Blaumetallic zu bewundern. Darunter auch die LeMans Sieger von 1956 und 1957! Diese riesige und nahezu vollständige Ansammlung der blauen Racer gab es so noch nie. Mitten im Gemenge stand plötzlich Sir Norman Dewis. Der ehemalige Jaguar Test- und Rennfahrer. Mittlerweile 92 Jahre alt und noch topfit. Er lässt weder ein Rennwagencockpit noch eine charmanten Flirt mit den Damen aus.

Goodwood Revival - Fiat 500

Fazit: Hier muss man gewesen sein!

Goodwood Revival 2017

Nach dem Tourist Trophy Race haben sich mal wieder die Himmelsschleusen geöffnet und reichlich Wasser gen Erden geschickt. Das war dann auch für uns das Stichwort zum Aufbruch gen Heimat. Was habe wir mitgenommen? Neben einem erworbene Kunstdruck einer Targa Florio Rennscene mit einer Cobra von dem sehr sympathischen Maler Tim Layzell, einer neuen Tweed Flapcap, dem obligtorischen Revival Rennprogramm und Veranstaltungsplakat sind die Bilder der traumhaften, superseltenen Rennwagen im Groß- und Kleinhirn für ewig eingebrannt. Somit darf ich an alle appellieren die ein kleines bischen Benzin und Öl im Blut haben. Hier muß man hin! Man darf ruhig seine bessere Hälfte fragen und animieren. Hier gibt mehr zusehen als nur Autos. Der Charme und Style des Goodwood Revival ist weltweit einzigartig. Lasst uns gemeinsame beten, das dies noch lange so bleibt.

In diesem Sinne. Gesegnet sei die Beschleunigung.

Euer Goodwood Lover & Nert
Oliver